Ortskernentwicklung Postareal Lech

Wettbewerb zusammen mit Walter Angonese

Lech / Tirol

2017

Neue Mitte Lech  

                                                                                                                                                   

Lechs Siedlungsgeschichte weist eine Konstante auf: die Konzentration von Öffentlichkeit in der Gemeinde rund um den Kirchenanger. Auch wenn sich der Ort, was die Geschäftstätigkeiten betrifft, zu einem Straßendorf entwickelt hat, so ist doch diese Konzentration rund um die Kirche, mit der neuen Kirche, der Schule, dem Haus für Kinder, das eigentliche Zentrum des Zusammenlebens. Ein sparsamer Umgang mit den Flächen und ein ambitioniertes Raumprogramm, eine Reaktion auf die Topografie am ehemaligen Postareal verlangen nach einer Stapelung der Funktionen. Diese Stapelung kann städtebaulich wirksam werden: zu ebener Erde, entlang der Bundestrasse und dem Lech befinden sich die Räumlichkeiten der Begegnung, des Wirtschaftens, des Informationsaustausches. Im ersten Obergeschoss die Gemeindeämter, vom Straßengeschehen enthoben, die weniger publikumsfrequentierten Räumlichkeiten der Tourismusverbände und am ruhigsten Platz hin zum Lech die Musikschule. Zu oberst dann der große Festsaal, von seiner typologischen Ausprägung her ein "Kursaal" der Jahrhundertwende (Musik, Theater, Diskussion..), angeschlossen daran  ein großes hohes Foyer als Vorhalle zu Platz und Saal, mit Referenz zur dominanten Kirche, der neue Bürgerplatz, direkt erschlossen wie auch der Kirchplatz von einer großzügigen Treppenrampe direkt von der Straßenebene, und als Pendent zum Foyer ein zum Ensemble gehörender Gastbetrieb. Alles auf Sichthöhe des Kirchhofes und visuell mit diesem verbunden (die Straße bleibt unten). Der Saal kann unterteilt werden, das Foyer mit großflächigen Öffnungen versehen kann zum Musikpavillon mutieren und somit in direktem Kontakt mit dem neuen Dorfplatz stehen. Ein neues Zentrum für Kultur und soziale Begegnung. Darunter, metaphorisch vom Plateau des erhöhten Dorfplatzes abgehängt die Ämter der Gemeindeverwaltung, der Tourismusverbände und die Musikschule. Zu ebener Erde vorab eine Galerie, eine Durchwegung, welche die Hauptstraße und den Anger mit dem Lech verbindet, eine "ausgeschwemmte" Gebäudekonfiguration, mit einem neuen Platz am Lech, entstanden durch die Fußgängerverbindungen am Straßenniveau. Rechts die Tourismusrezeption, der Bürgerservice, die Tiefgaragenabfahrt (sofern man die neue Tiefgarage nicht direkt von der bestehenden her erschließt), links die Flächen für Geschäfte. In der Mitte, an seiner Gabelung prominent das Treppenfoyer für die öffentliche Haupterschließung zu den Gemeindeämtern, der Musikschule, den Tourismusämtern und dem Foyer am neuen Dorfplatz. Ein großzügiger Aufzug, der auch schwere Lasten (Exponate und Schneeräumungsgeräte) transportieren kann, verbindet alle Ebenen miteinander. Dieser gläserne Foyerturm erreicht auch das Untergeschoss und macht so das Ankommen mit dem Auto zu etwas Besonderem. Wie übrigens die zweigeschossige Tiefgarage und die neue Verbindung mit jener der Oberlecher Seilbahn hohe Frequenzen gewährleisten können. Die Verbindung zur Angergarage wird als anstrebenswert erachtet und würde die Fahrzeugfrequenz im Fußgängerbereich stark vermindern.

 

Strukturell ist das Gebäude ein Hybridbau: Massivbau (gestockter Beton) und Holzbau (haptische, "geflochtene", bandartige Fassadenstruktur generiert aus der dahinter befindlichen Tragkonstruktion) treffen aufeinander. Der Massivbau, der die Gebäudetopografie determiniert, diese artifizielle Landschaft baut. Der Holzbau, der verschiedene Gebäudeelemente entstehen lässt und ein Weiterbauen nicht nur an den Konstanten des Ortes ermöglicht, sondern auch bewusst an tektonische Prinzipien der Vorarlberger Pioniergeneration der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anzuküpfen versucht, zwar eigenständig und zeitgenössisch gedacht, dennoch aber im Sinne eines Weiterdenkens. Der Holzbau, der dann aber auch einen starken Dialog mit dem Erbe von Lech einzugehen vermag und die baukulturellen Werte gezielt in Szene setzt.
 

Der neue Dorfplatz mit guter Besonnung steht auf derselben Ebene wie der Kirchplatz, er steht in unmittelbarem Sichtkontakt. Der Kirche gegenüber liegt das portalähnliche Foyer, dahinter der große Saal. Den Platz nach Süden hin schließt der Gastbetrieb ab. Am Straßenniveau erhält die Promenade am Lech durch den Platz am Lech ein attraktives Gegenüber. Die geschäftige Ebene im Erdgeschoss, die verwaltungstechnische Ebene im Obergeschoss, die kulturell/soziale Ebene im zweiten Obergeschoss korrelieren miteinander, sind miteinander verbunden ohne sich gegenseitig zu stören. Die drei Elemente am hohen Dorfplatz (Kursaal, Foyer, Gastbetrieb) ergeben ein Dorf im Dorf, spielen mit der Maßstäblichkeit und der städtebaulichen Körnung des Ortes, der Holzbau, die Dachlandschaften führen einen Dialog, sei es mit den umliegenden Typologien als auch mit der alpinen Landschaft. Sie betreten einen Zwischenraum, der für die Maßstäblichkeit des Gebäudes adäquat erscheint: weder urban noch rural. Zwischenräumlich eben.

 

(Text: Walter Angonese)

nicht offener 2 stufiger Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltenem Bewerbungsverfahren

Auslober: Gemeinde Lech / Tirol

ARTEC Architekten mit Architekt Walter Angonese

Team ARTEC Architekten:
Bettina Götz und Richard Manahl
Josef Schröck, Héctor Farré Cortada, Gül Cakar, Jun Wook Song
Modell: Yoana Dimitrova

Modellbau: Roland Stadlbauer

Fotographie: ARTEC Architekten (Modell)